Recruiting

Authentische Unternehmenskultur schaffen

Interview mit Doris Heitkamp-König, motus-5
  • Change Prozess
  • Employer Branding
  • Unternehmenskultur

Doris Heitkamp-König Quelle: Motus-5

Unternehmenskultur muss authentisch sein, damit Recruiting gelingt, sagt Doris Heitkamp-König. „Es hilft nichts, mit einem guten und auf Frauen ausgerichteten Recruiting gute Kandidatinnen zu gewinnen, wenn der Unternehmensalltag nicht hält, was vorher versprochen wurde.“ Wie das besser geht, erläutert die Führungskräftetrainerin und Expertin für Veränderungsprozesse im Interview.


Laut einer Umfrage hat fast die Hälfte aller IT-Expertinnen schon mal ein Job-Angebot abgelehnt, weil die Arbeitskonditionen nicht mit den nach außen beworbenen Unternehmenswerten übereinstimmen. Wie denkst du über solche Zahlen?

Das Drucken von Unternehmensbroschüren alleine reicht nicht. Wenn Sie eine Unternehmenskultur vorgaukeln, die nicht authentisch ist, wird das eine herbe Enttäuschung für Bewerberinnen. Ein Unternehmen muss jungen Menschen – ich sage bewusst nicht nur Frauen – wirklich Raum geben. Zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Sie können entsprechende Regeln einführen. Die müssen aber auch gelebt werden. Ich habe vor einigen Jahren erlebt, dass ein junger Mann in Elternzeit gehen wollte. Sein Personalmanager sagte: „Warum macht er das? Der macht sich ja seine ganze Karriere kaputt.“ Ein anderer Aspekt ist die geteilte Führung. Oft sind die Vorbehalte groß. Und dann, siehe da, es funktioniert!

Wenn Unternehmen sagen: Wir sind familienfreundlich. Wir wollen Frauen haben und langfristig halten – dann müssen sie sich ansehen, ob ihre Strukturen das halten.

Müssen Unternehmen mutiger werden?

Ja, mutiger. Sie müssen aber auch mehr verstehen. Als ich in den 1990er Jahren in das Thema eingestiegen bin, spielte das Thema Stereotype keine Rolle. Wir haben viel in Diversity-Programme investiert, die wenig gebracht haben. Jetzt, mit den Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft, verstehe ich warum.

Wir treffen die meisten Entscheidungen unterbewusst. Der Körper belohnt besonders Routinen und Denkmuster mit dem Ausstoß von Dopamin. Das ist evolutionsgeschichtlich sinnvoll, denn es spart Energie. Wenn ich neue Denkmuster schaffen will, dann muss ich diesen Belohnungsprozess in Gang setzen und eine gewisse Zeit lang trainieren. Das ist wie beim Sport.

Um Veränderung zu erreichen und Macht zu bekommen, müssen Frauen aktiv werden und die Spielregeln verändern.

Doris Heitkamp-König

In deinen Seminaren trainieren Frauen, sich Raum zu verschaffen, um mehr wahrgenommen zu werden.

Um Veränderung zu erreichen und Macht zu bekommen, müssen Frauen aktiv werden und die Spielregeln verändern. Dafür müssen sie sich über die unbewussten Prozesse klar werden, die in uns allen ablaufen. Neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass bis zu einer Grenze von 30 Prozent Menschen in einer Gruppe als Minderheiten wahrgenommen werden.

Mir ist es häufig passiert, dass ich als einzige Frau in großer Runde einen Beitrag gemacht habe und ein Mann hat genau das wiederholt. Da läuft unterbewusst ein Stereotyp ab: Es wird mir gar nicht zugetraut, dass ich einen guten Vorschlag mache! Wenn ich aufgestanden bin und gesagt habe: „Meine Herren, das sagte ich doch schon“, dann wurde jedem klar: Natürlich, sie hat die Kompetenz. Sonst würde sie ja gar nicht in dieser Runde sitzen!

Nicht nur die Frauen, auch die Unternehmen müssen veränderungsbereit sein, oder?

Ganz sicher. Mercedes hat vor einigen Jahren ein Mentoring-Programm für Frauen gestartet, bei dem der Vorstand mit ins Rennen gegangen ist. Das wurde von Männern extrem kritisch begleitet. Der damalige Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche sagte: „Wenn wir einen Quantensprung bei Frauen in Führungspositionen wollen und nicht nur zwei bis drei Prozent pro Jahr, dann müssen wir das intensiv und mit persönlichem Engagement angehen.“

Entscheider müssen also auch mit Gegenwind rechnen?

Widerstand muss ausgehalten und gestaltet werden. In einem Change Prozess müssen Führungskräfte ihre Rolle entwickeln und als Vorbild vorangehen. Wir Menschen lernen von Vorbildern. Führungskräfte müssen klar erkennbar ein Teil des Veränderungsprozesses sein. Sie dürfen ihn nicht delegieren. Erst wenn das ganze Management dahinter steht, sollte der Change Prozess gut abgestimmt kommuniziert werden. Wenn man das als Entscheider:in weiß, dann bringt das den Quantensprung.

In der IT fehlen nicht nur in der Führung sondern auf allen Ebenen die Frauen. Welche Auswirkungen hat das aus deiner Sicht?

Die Tatsache, dass wir so wenige Frauen in der IT haben, führt dazu, dass die entwickelten  Programme eine starke Männerhandschrift haben. So schreiben wir die etablierten Systeme in der Software fest.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Wenn ein Mann einen Pflegeroboter programmiert, wird das ein ganz anderes Programm, als wenn eine Frau das macht. Wir wissen aber zum Beispiel aus den Allbright-Studien, dass Unternehmenslösungen besser sind, wenn sich der Lösungsraum durch Diversity erweitert hat.

Nicht ohne Grund hat Mercedes heute Labs in aller Welt. Welcher Europäer weiß zum Beispiel, dass in China die wichtigen Menschen auf der Rückbank sitzen – und entsprechend mehr Platz im Fußraum haben sollten? Wie würde der Innenraum von Autos aussehen, wenn Frauen ihn gestalten?

Nun bleibt immer noch die Frage: Wo finde ich als Unternehmen denn die IT-Frauen?

Auf vielen Messen, wie etwa der Hannover-Messe, gibt es spezielle Angebote für Frauen. Noch besser ist es aber, einen Schritt vorher anzusetzen. Zum Beispiel indem man mit Hochschulen kooperiert oder sich in Mentoring-Programmen engagiert. Es ist zehnmal besser, einen Menschen in einem Praktikum kennenzulernen, als in einem Bewerbungsgespräch.

Und das Außenbild als Arbeitgeber:in muss aktiv gepflegt werden. Diesen Prozess anzulegen ist eine HR-Aufgabe. Das Top-Management muss aber dahinter stehen.

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