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Die wichtige Rolle von Vorbildern

Interview mit Sarah Fox, Wamoco GmbH
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Eine Frau lehnt mit verschränkten Armen an einer Mauer im Innenbereich und lächelt in die Kamera. Quelle: Wamoco GmbH, Fotografin: Gianna König

Seit Mai 2021 ist Sarah Fox beim E-Commerce-Spezialisten Wamoco GmbH und dort für die Bereiche Personal und Marketing zuständig. Wenn Sarah an ihren Weg ins (IT-)Berufsleben zurückdenkt, kann sie zwei Frauen nennen, die sie in dieser Zeit ganz klar geprägt und unterstützt haben. Im Interview mit Avanja erzählt sie, warum aus ihrer Sicht ein großes Netzwerk wichtig ist und welche Rolle Vorbilder für Frauen in der IT spielen.


Du bist inzwischen seit fast eineinhalb Jahren bei Wamoco. Erzähl doch mal, wie du dort  gelandet bist.

Dafür muss ich kurz ausholen: Ich habe im Abitur das Glück gehabt das Profilfach Soziologie belegen zu können. Das Angebot war damals ein Novum in Bremen und ich profitiere noch heute von dem hervorragenden Unterricht, der mich sehr geprägt hat. Mein Plan war, im Anschluss Soziologie zu studieren. Ich habe mich dann aber doch für Deutsch und Englisch auf Lehramt entschieden. Während des Studiums war ich in Neuseeland und habe dort wieder Soziologie studiert. Das hat mich, zurück in Deutschland, schließlich zum Fachwechsel in die Kultur- und Kommunikationswissenschaft bewegt, da mich insbesondere die Soziolinguistik also das Zusammenspiel von Sprache und Kultur sehr interessiert.

2015, im Jahr meines Abschlusses, war Deutschland mit einer gewaltigen Migrationsbewegung konfrontiert und innerhalb kürzester Zeit mussten Integrationsmodelle geschaffen werden. In diesem Zuge habe ich mich entschlossen, als Trainerin beim Weiterbildungsträger cbm in Bremen Wirtschaftsdeutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Nach einiger Zeit habe ich in eine leitende Position gewechselt und nebenbei die Projektassistenz für die IT-Angebote übernommen. In den Kursen habe ich u.a. auch zu den Themen Arbeitsorganisation und Arbeitskultur unterrichtet sowie Bewerbungs- und Teamtrainings durchgeführt. Zu meinen Aufgaben gehörte auch das Matching für Praktika zwischen den Kursteilnehmenden und den IT-Unternehmen.  Da lernt man die Branche und Akteure in Bremen natürlich sehr gut kennen. So bin ich 2018 auf Wamoco aufmerksam geworden. Und die Zusammenarbeit hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen.

Es ist sinnvoll, sich selbst zu fragen ‚Was möchte ich machen und wie kann ich mich in diese Richtung bewegen‘?

Sarah Fox

Das klingt so, als würdest du bei deinen beruflichen Entscheidungen auf dein Bauchgefühl hören?

Ich glaube, wenn man aus den Geisteswissenschaften kommt, dann bleibt einem gar nichts anderes übrig. Studiengänge wie beispielsweise Medizin haben am Ende ein klares Ziel und einen konkreten Beruf, den man damit ausübt. Der Vor- und Nachteil der Geisteswissenschaften ist, dass man mit dem Studienabschluss viele verschiedene Qualifikationen hat und sehr breit aufgestellt ist. Da ist es nur sinnvoll sich selbst zu fragen „Was möchte ich machen und wie kann ich mich in diese Richtung bewegen?“ Darüber hinaus gilt es Personalern bei den breit angelegten Qualifikationen einen roten Faden aufzuzeigen. Bei mir kam hinzu, dass ich in meinen Jobs immer auch Sachen lernen musste, mit denen ich mich sonst vielleicht nie beschäftigt hätte. Ich musste mich zum Beispiel mal mit Zollrecht befassen. Das fand ich unerwartet spannend. Meine Interessen haben sich durch solche Erfahrungen stets erweitert und ich habe für mich neue Möglichkeiten entdeckt.

Gibt es Personen, die dich auf deinem Weg unterstützt haben?

Ja, es gibt ganz klar zwei Personen, die ich für mich als Role Model sehen würde: Da ist zum einen Cindy Wasik, die ich über die Uni kennengelernt habe. Damals war sie als IT-Ausbilderin bei cbm tätig. Sie hat mir oft den Spiegel vorgehalten und mich dabei unterstützt, mich auf meine Interessen zu konzentrieren und meinen Weg zu gehen. Sie ist außerdem unglaublich diszipliniert und hat mich oft gepusht. Wenn ich unsicher war oder an meinen Fähigkeiten gezweifelt habe, dann hat sie mich supportet.  Während unserer Zusammenarbeit habe ich es immer sehr geschätzt, dass ich ihr ganz ehrliches Feedback geben konnte und unsere Kommunikation immer auf Augenhöhe lief.

Zum anderen ist da Swantje Letzsch. Von Ihrer Erfahrung konnte ich mir sehr viele praktische Skills abgucken. Swantje geht sehr methodisch vor, ist organisiert und vor allem sehr schnell und wendig im Denken. Sie hat auch mein Durchsetzungsvermögen und mein Selbstbewusstsein gestärkt.  Aus dem Grund habe ich sie auch abgeworben und zu uns ins Unternehmen geholt- ich wollte unbedingt weiter mit ihr zusammenarbeiten. Mit ihr als Kollegin macht die Arbeit noch viel mehr Spaß.

Beide sind bis heute mein moralischer Kompass. In schwierigen Situationen, wenn ich selbst unschlüssig bin, ob ich eine Lage richtig einschätze, kann ich sie immer anrufen und mir Feedback und Rat einholen.

Die Kontakte kommen nicht einfach so auf dich zu. Die musst du dir selbst suchen und aktiv auf die Menschen zugehen.

Sarah Fox

Du bist also der Meinung, dass man diese Vorbilder (gut) im „echten Leben“ finden kann?

Ja, ich empfinde das so. Ich habe schon oft gehört, dass es Frauen schwerfällt, für sich Role Models zu finden und dass sie bisher diesen Support untereinander wenig oder gar nicht erlebt haben. Nach meiner Erfahrung finden sich Vorbilder vor allem in bestimmten Kontexten. Im Sport zum Beispiel oder in anderen Vereinen, aber auch über die Uni.

Schwieriger wird es, wenn man diesen Kontext nicht hat. Da braucht es dann zunächst ein Bewusstsein dafür, was einen interessiert und dann eine Antwort auf die Frage, wie man den Zugang zur Community findet. Mein Rat ist da ganz klar: connecte dich! Das kann über Branchenveranstaltungen sein, die man für die IT zum Beispiel im Newsletter von bremen digitalmedia findet, aber auch LinkedIn ist eine gute Plattform dafür. Darüber hinaus gibt es großartige Initiativen. Im IT-Bereich fallen mir zum Beispiel die Digital Media Women ein. Ganz wichtig: Die Kontakte kommen nicht einfach so auf dich zu. Die musst du dir selbst suchen und aktiv auf die Menschen zugehen.

Findest du, dass für Frauen Role Models in der IT besonders wichtig sind?

Ich bin da zwiegespalten. Ich habe auch schon von anderen Branchen gehört, in denen es ähnlich schwierig ist. Männer holen Männer nach, Frauen holen aber leider nicht unbedingt Frauen nach. Das gilt nicht nur für die IT. Ob es nun relevant ist, dass Frauen im Straßenbau arbeiten, kann ich nicht beurteilen. In der IT aber hat sich gezeigt, dass es unerlässlich ist, dass Frauen beispielsweise an der Entwicklung von Lösungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz mitarbeiten. Ich denke, da muss jede:r in der eigenen Branche schauen. Auf jeden Fall braucht es Frauen, die vorrangehen und eine Vorreiterrolle einnehmen.

Ich will junge und alte Menschen sehen, ich will Männer und Frauen und Menschen mit dunkler und mit heller Hautfarbe. So sieht Diversität aus und das spricht dann auch Menschen an, die sich sonst nicht angesprochen gefühlt hätten.

Sarah Fox

Hast du eine Idee, wie IT-Unternehmen Frauen besser ansprechen können?

Es ist heutzutage normal, dass Unternehmen mit Floskeln um sich werfen, wenn es zum Beispiel um die Werte im Unternehmen geht. Da ist plötzlich jedes Unternehmen divers aufgestellt. Aber ich erkenne doch nur, ob das auch stimmt, wenn ein Unternehmen, das auch zeigt. Ich will auf der Website und auf Social Media sehen, wie das Team zusammengesetzt ist. Ich will junge und alte Menschen sehen, ich will Männer und Frauen sehen und Menschen mit dunkler und mit heller Hautfarbe. So sieht Diversität aus und das spricht dann auch Menschen an, die sich sonst nicht angesprochen gefühlt hätten. Manchmal muss man dafür erstmal den eigenen blind spot eruieren und bearbeiten. Ich finde hier die Aktionen der Charta der Vielfalt wirklich hilfreich. Da sind bei uns schon großartige Leanings, Revisionsprozesse und Ideen ins Rollen gekommen und das ganze Team zieht mit.

Viele Personaler:innen schrecken vor dem vermeintlichen Mehraufwand zurück, den ein Suchen nach „Talenten auf den zweiten Blick“ mit sich bringt. Warum lohnt es sich aus deiner Sicht?

Frauen, die zum Beispiel durch den Quer- oder Wiedereinstieg in die IT kommen, haben oft das Gefühl, dass sie nicht mehr up-to-date sind und ihre Ausbildung nicht so viel Wert ist, wie der Uniabschluss von jungen Frauen Mitte zwanzig. Dabei haben doch beide Karrierewege ihre Vorteile. Wir freuen uns über die Erfahrung, die eine Frau mit Mitte/Ende vierzig mitbringt. Ich weiß bei ihr, dass sie eine solide Grundausbildung hat, durch ihre Lebenserfahrung vieles sicherer einschätzen kann und ganz genau weiß, was sie will und wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Sehr wahrscheinlich weiß sie ein gutes, faires Arbeitsklima zu schätzen und bleibt dem Unternehmen im besten Fall langfristig erhalten. Leider werden diese Menschen noch viel zu selten gezielt angesprochen. Da sind wir dann wieder beim Thema Netzwerke und Role Models, die in so einer solchen Situation unterstützen können.

Aber auch junge Frauen müssen gezielt angesprochen werden. Der jährliche Zukunftstag ist beispielsweise eine gute Möglichkeit, um Mädchen mit MINT-Berufen in Berührung zu bringen. Da sind vor allem die Lehrer:innen gefragt, entsprechend zu informieren. Denn wenn Schülerinnen nichts davon wissen, kann ihr Interesse auch nicht geweckt werden.

Ich gebe gerne folgenden Tipp: Such dir drei Faktoren, die dir bei einem Job wirklich wichtig sind und von denen zwei immer da sein müssen.

Sarah Fox

Hast du zum Abschluss noch einen Tipp für Frauen, die sich für die IT interessieren?

In den Bewerbungstrainings in der Erwachsenenbildung haben sich die Teilnehmer:innen oft die Frage gestellt, wonach sie sich bei der Jobsuche ausrichten sollen. Ich habe dann gerne folgenden Tipp gegeben: Such dir drei Faktoren, die dir bei einem Job wirklich wichtig sind und von denen zwei immer da sein müssen. Für mich sind die drei Faktoren zum Beispiel Geld, Purpose und Team. Ich kann mit einem niedrigeren Gehalt leben, wenn das Team super ist und wir sinnstiftend arbeiten. Zwei von drei Faktoren müssen immer stimmen, sonst ist der Job nichts für mich. Wenn nur ein Faktor passt, dann passt der Job nicht zu mir. Diese Faktoren muss natürlich jede:r für sich selbst finden und festlegen.

Und noch was: Werde dir deiner Stärken bewusst. Es hilft, sich alles aufzuschreiben, was du kannst und worin du gut bist. So wirst du dir deines Mehrwerts (für ein Unternehmen) bewusst und kannst mit mehr Selbstbewusstsein in die Jobsuche gehen. Wenn dir ad hoc nichts einfällt, frag mal Freunde und Verwandte, was sie an Gesprächen mit dir schätzen, wie sie dein Denken beschreiben würden oder deine Persönlichkeit. Wo sieht dein Umfeld deine Stärken?

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